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Flucht ins Ausland als Begründung für Revisionseinstellung

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Hat der Angeklagte nach Einlegung der Revision freiwillig seinen dauerhaften Aufenthalt im Ausland genommen, wird das Revisionsverfahren nicht wegen Abwesenheit des Angeklagten nach § 205 StPO vorläufig eingestellt.

So hat das Oberlandesgericht Celle im Fall eines Angeklagten beschlossen, der durch ein Schreiben seines Verteidigers beantragt hat, das Revisionsverfahren gemäß § 205 StPO vorläufig einzustellen, weil er sich in C. aufhalte und dort „den Rest seiner Berufstätigkeit verbringen“ wolle. Der Antrag des Angeklagten auf vorläufige Einstellung des Revisionsverfahrens ist abzulehnen, weil kein Hindernis im Sinne von § 205 StPO vorliegt, das einer Fortsetzung des Revisionsverfahrens entgegensteht.

Die Abwesenheit des Angeklagten wegen unbekannten Aufenthalts oder aus sonstigen Gründen hindert die Durchführung des Revisionsverfahrens nämlich nicht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Revision – wie hier – zulässig eingelegt und begründet worden ist und sich der Angeklagte vor Abschluss des Verfahrens freiwillig ins Ausland begeben hat. Die Unschädlichkeit der Abwesenheit des Angeklagten ergibt sich schon aus § 350 Abs. 2 StPO, wonach der Angeklagte selbst bei Durchführung einer Revisionshauptverhandlung nicht die Pflicht zur Anwesenheit hat und wonach ein nicht auf freiem Fuß befindlicher Angeklagter keinen Anspruch auf Anwesenheit hat. Zudem ist es nach § 350 Abs. 1 Satz 2 StPO sogar unschädlich, wenn die Benachrichtigung eines Angeklagten, der wie hier – einen Verteidiger hat, vom Hauptverhandlungstermin nicht ausführbar ist. Ob der Angeklagte anwesend sein – und hierzu ggfs. aus dem Ausland anreisen – oder sich vertreten lassen will, steht in seinem Belieben. Der Angeklagte hat bei Vorliegen von Hindernissen weder Anspruch auf Verlegung der Hauptverhandlung noch nachträglich das Recht, wegen unverschuldeter Versäumung der Hauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.

Hierdurch werden weder der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch der auf eine angemessene Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 EMRK) verletzt. Denn im Revisionsverfahren gelten insofern andere Anforderungen als im Verfahren vor dem Tatgericht. In der Tatsacheninstanz kann der Angeklagte eine Einlassung abgeben, selbst Anträge stellen und Zeugen befragen und kann so das Verfahren unabhängig von seinem Verteidiger mitgestalten und sich verteidigen. Das Revisionsverfahren hingegen dient ausschließlich der rechtlichen Überprüfung des tatrichterlichen Urteils auf richtige Anwendung des sachlichen Rechts und des Verfahrensrechts. Erörterungen tatsächlicher Art finden hier nicht statt. Die Möglichkeiten des Angeklagten, dieses Verfahren mitzugestalten, sind gering. Selbst kann der Angeklagte das Rechtsmittel lediglich einlegen und zurücknehmen. Schon die Bestimmung des Umfangs der Anfechtung kann der Angeklagte nur durch seinen Verteidiger (oder zu Protokoll der Geschäftsstelle) vornehmen (§ 344 Abs. 1 StPO). Dasselbe gilt für die nach § 344 Abs. 2 StPO erforderliche Begründung der Revision. In der Revisionshauptverhandlung hat der anwesende Angeklagte zwar das Recht auf Gewährung des letzten Wortes. jedoch kann er auch dabei für das Revisionsverfahren maßgebliche Erklärungen nach § 344 StPO, die nach § 345 StPO nur befristet angebracht werden können und der dort genannten Form bedürfen, nicht wirksam abgeben.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 31 Ss 42/11


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